Jahresrückblick 2023
Shownotes
Seit Mai 2023 gibt es Stethoskop, den VdK-Gesundheitspodcast. In unserem Jahresrückblick lassen wir in Kurzform die bisherigen Folgen Revue passieren. Ein kleiner Ritt durch viele Facetten des Gesundheitswesens.
Transkript anzeigen
00:00:00: Stitusko, der VdK Gesundheits Podcast.
00:00:09: Herzlich willkommen zu einer Sonderausgabe. Seit Mai 2023 gibt es jetzt schon unseren
00:00:17: Podcast und seitdem haben wir jeden Monat versucht, ein bisschen in die Tiefen und,
00:00:22: naja, man muss wohl ehrlich sein, auch in die Untiefen des Gesundheitssystems einzutauchen.
00:00:26: Bevor wir jetzt im neuen Jahr mit neuen Themen starten, würde ich gerne noch mal mit Ihnen
00:00:31: gemeinsam zurückschauen auf das, was wir schon behandelt haben. Vielleicht freuen Sie sich
00:00:36: darauf, heute das ein oder andere bemerkenswerte nochmal kurz anzuhören oder vielleicht sind
00:00:41: Sie auch neu bei unserem Podcast und bekommen jetzt Appetit, sich noch eine Folge anzuhören,
00:00:46: die Sie bisher noch gar nicht gekannt haben. Mein persönliches Highlight war die Folge vom
00:00:53: Oktober. Dafür war ich zu Gast bei Josef Hecken, den man kenne ich schon ziemlich lange. Der war
00:00:59: nämlich früher mal Gesundheitsminister bei uns im Saarland und jetzt ist er schon eine halbe
00:01:03: Ewigkeit so was wie der mächtigste Mann im deutschen Gesundheitswesen. Nicht für die
00:01:08: politisch-strategischen Entscheidungen, die trifft die Politik, aber für das, was unser aller
00:01:14: Alltag beim Arzt oder in der Apotheke betrifft, er ist nämlich Chef des GBA, des gemeinsamen
00:01:20: Bundesausschusses. Das ist ein unglaublich mächtiges Gremium und das entscheidet darüber, was wir
00:01:25: auf Kassenkosten kriegen und was nicht. Uns hat Josef Hecken erklärt, warum es genau so ein Gremium
00:01:32: braucht, bei dem man als der sogenannte unabhängige Vorsitzende, der er ist, gelegentlich auch mal der
00:01:37: Boomern ist. Auf der einen Seite bin ich, das sage ich immer, wenn ich so ein bisschen zündig bin,
00:01:43: die Inkarnation des Bösen im deutschen Gesundheitswesen, zum einen für die Kostenträger,
00:01:48: wenn ich sage, eine neue teure Leistung wird aufgenommen, weil sie gut ist, dann sagen die
00:01:52: Kassen, oh, das kostet ein Haufen Geld. Die Inkarnation des Bösen für die Ärzte, wenn eine
00:01:59: Leistung nicht aufgenommen wird und die Versicherten sind natürlich weniger freut, wenn sie in der
00:02:04: Apothekenumschau oder wo auch immer gelesen haben, da gibt es irgendetwas Tolles, was irgendeinen
00:02:08: former Zeug unternehmer anpreist und sie hören dann auf einmal, es wird nicht bezahlt. Auf der
00:02:13: anderen Seite ist es aber auch sehr klug, auch und im Interesse der Versicherten, denn die Evidenzbewertung
00:02:23: oder die evidenzbasierte Bewertung von neuen Methoden wird bei uns wirklich in allen Bereichen
00:02:30: einheitlich gemacht. Das heißt, wir schauen nicht, wenn wir ein Haufen Geld ausgeben müssen, trifft das
00:02:36: nur eine kleine Patientengruppe oder trifft das eine große Patientengruppe, wir entscheiden nach dem
00:02:40: medizinischen Notwendigen nach dem Mediklinien nach den Notwendigkeiten. Wenn das die Politik
00:02:47: entscheiden würde, ich habe ja selber mal eine Politik gemacht, dann würde ich sagen so,
00:02:51: ich habe jetzt eine Milliarde, im nächsten Jahr ist eine Wahl, ich muss jetzt entscheiden, gebe ich
00:02:55: diese Milliarde, also wir geben 300 Milliarden im Jahr aus, nur damit sie etwa die Größenordnung
00:03:00: kennen, dann würde ich doch vielleicht als Politiker sagen, dann investiere ich diese Milliarde zur
00:03:08: Beförderung der Wohlfahrt von 6 Millionen Diabetikern, da habe ich 6 Millionen potentielle Wähler,
00:03:14: die mir dankbar sind, daneben habe ich eine kleine Gruppe, zum Beispiel von Kindern mit
00:03:21: Spinaler Muskelatrophie 1, bei denen eine Zorgensmarspritze 3,2 Millionen Euro kostet, das sind aber in
00:03:31: der ganzen Bundesrepublik Deutschland vielleicht nur 70 Kinder und deren Eltern, die sind wahltechnisch
00:03:37: völlig irrelevant und deshalb hat man schon 1913, also das hat eine lange historische Vorlaufzeit,
00:03:44: entschieden man will diese Dinge aus dem politisch-opportunistischen Entscheidungsverhalten
00:03:49: raushalten, damit jeder die gleiche Chance hat adäquat versorgt zu werden, ich werde das an
00:03:55: einer Zahl klar machen, die das sehr eindrucksvoll belegt, wir haben seltene Erkrankungen, die zum
00:04:01: Teil unerforscht sind, die kleine Patientengruppen betreffen, wo Medikamente und andere Dinge
00:04:07: richtig teuer sind, weil die Entwicklungsgosten auf ganz ganz wenige Patienten umgelegt werden,
00:04:13: 0,07% der Rezepte entfallen auf Patienten mit seltenen Erkrankungen und dafür geben wir 12,8%
00:04:24: der gesamten Arzneimittelausgaben aus, weil wir das auf rein wissenschaftlicher Basis entscheiden,
00:04:31: ohne zu sagen, was bringt uns das politisch, ob wir jetzt wenigen Leuten helfen, wenn das jetzt
00:04:37: auf politischer Ebene entschieden würde und der Badtagsratsmuster erhöht werden und so was,
00:04:41: könnten die Entscheidungen anders ausfallen, deshalb auf der einen Seite der größte Boomann im
00:04:46: System, auf der anderen Seite aber auch der Garant dafür, dass wir eben unabhängig von den
00:04:53: Patientenzahlen sagen, okay, da gibt es eine neue Methode, da gibt es ein neues Medikament und
00:04:58: das wird dann am Ende auch bezahlt, wenn es den Patienten hilft. Zugegebenermaßen ein etwas
00:05:03: trockenes Thema, aber Josef Hecken erzählt immer ganz besonders launisch und spricht auch Dinge,
00:05:09: wo andere nur drum herumreden, ganz poentiert aus, geht auf sehr verständliche Weise in die Tiefe
00:05:15: dieses komplexen Themas meine klare Hörempfehlung. Als wir im Mai angefangen haben, war gerade der
00:05:23: Medikamentenmangel in aller Munde und deshalb haben wir gemeinsam mit einer Expertin für
00:05:28: Apotheken-Dienstleistungen versucht herauszufinden, warum das eigentlich alles so schwierig ist.
00:05:34: Es wurde relativ schnell klar, das Problem ist ziemlich vielschichtig. Es kommen ganz viele
00:05:40: Faktoren zusammen, angefangen von Produktionsengpässen in China und in Indien über Probleme bei den
00:05:45: Lieferketten bis hin zur mangelnden Vernetzung bei uns. Da gibt es manchmal sogar irgendwo ein Produkt,
00:05:52: aber man kriegt nicht raus, wo es zu haben ist. Ein besonderes Problem sieht Sabine Schlüter aber
00:05:59: auch in den langjährigen Bemühungen der Politik die Preise für Medikamente zu drücken. Das kommt
00:06:05: uns natürlich einerseits bei den Beitragssätzen zur Krankenversicherung zugute, aber wenn ein
00:06:10: Hersteller für eine Tablette bei manchen Medikamenten gerade mal noch 10 Cent bekommt,
00:06:14: dann wird der Markt in Deutschland sagen wir es mal vorsichtig weniger attraktiv. In diesem
00:06:20: Zusammenhang fällt dann immer das Stichwort "Rabattverträge der Krankenkassen" und die Frage
00:06:26: wie die eigentlich funktionieren. Ja im Grunde genommen außer der Krankenkassen und den Herstellern
00:06:31: weiß das keiner. Weil diese Preise, das ist wirklich wahr, diese Preise werden nicht offen
00:06:36: gelegt. Da gibt es ganz ganz selten man undische Stelle, da fällt mein Ohnmacht, wenn man hört zu
00:06:42: welchem Preis das Arzneimittel mit den Krankenkassen wie der Deal abgeschlossen worden ist. Also die
00:06:47: Krankenkassen machen Ausschreibungen über ein von mir aus Ibuprofen Fiebersaft und diese Ausschreibungen
00:06:56: gelten dann für diese Krankenkasse und dann wenden sich die Hersteller mit ihren Preisen an
00:07:01: die Kasse und es sind aber immer nur fünf, sechs Hersteller und wenn man sich jetzt vorstellt,
00:07:06: ein Hersteller oder ich sage auch mal noch zwei bekommen den Zuschlag für eine 80 Millionen
00:07:13: deutsche Bevölkerung. Wenn da ein Rad rausgeht, funktioniert das eben alles nicht mehr und die
00:07:18: Preise sind extremst niedrig, weil die Krankenkassen sich natürlich davon erhoffen und das hat sich
00:07:25: auch in Realität bewiesen sehr sehr viel Geld einzusparen. Also ich will persönlich sagen,
00:07:32: dass diese Rabattverträge schlecht sind, das glaube ich nicht. Aber das Preisniveau im Rahmen
00:07:40: dieser Rabattverträge, das ist zu niedrig angesetzt und es sind zu wenig Hersteller im Boot. Vor ein
00:07:47: paar Tagen habe ich übrigens mit Sabine Schlüter nochmal telefoniert und auch wenn sich das ein
00:07:52: oder andere Beispiel verändert hat, die Lage an sich bei der Medikamentenversorgung ist genauso
00:07:57: angespannt wie vor acht Monaten. Ebenfalls Grundlagen des Gesundheitssystems in Deutschland,
00:08:05: die Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung. Darüber haben wir im August und
00:08:11: im September gesprochen mit zwei Insidern, die aber in Rente sind und daher vielleicht etwas
00:08:15: freier sprechen können als früher. Dr. Susan Bresslein war jahrelang Geschäftsführerin eines
00:08:21: der größten Krankenhäuser in Südwestdeutschland und Dr. Gunther Hauptmann war viele Jahre Chef
00:08:26: der Kassenärztlichen Vereinigung im Saarland. Die beiden haben einen ziemlich ernüchternden
00:08:31: Einblick in die Versorgungssituation gegeben. Beispiel das Medikamentenbudget. Jede Praxis hat
00:08:39: eine Richtgröße, das heißt es wird ausgerechnet, wie viel ich an Kosten mit Medikamenten für einen
00:08:49: Versicherten verursachen darf. Also zum Beispiel bei den Gynäkologen heißt das im Quartal pro
00:08:55: Versicherten als Beispiel 8 Euro habe ich zur Verfügung. Jetzt habe ich 1000 Patienten,
00:09:02: davon brauchen vielleicht 500 Patienten keine Kassenrezepte. Nehmen wir beim Gynäkologen,
00:09:09: das Pillenrezept ist ja nur bei jungen Leuten ein Kassenrezept. Das heißt ich habe Verdünner,
00:09:15: ich habe Patienten, die brauchen neben dieses Budget nicht einen Anspruch und ich habe dann
00:09:19: Patienten, die brauchen wirklich auch Medikamente, die auch ordentlich was kosten, sodass das eine
00:09:26: Mischkalkulation ist. Das heißt ich habe im Grunde bei 1000 Patienten, wenn ich 8 Euro habe,
00:09:30: habe ich 8000 Euro im Quartal zur Verfügung. So und wenn ich das überschreite, dann kriege ich
00:09:39: einen Schreiben, du hast einen Budget überschritten, früher habe ich dann einen Regress bekommen.
00:09:43: Von der Kassenärztlichen Vereinigung. Die KV ist dann nicht nur der Geldvertreter,
00:09:48: das kommt von der Prüfstelle, aber die ist bei der Kassenärztlichen Vereinigung eine gemeinsame
00:09:53: Einrichtung der Kassen und der KV. Und die KV ist aber dann letztendlich für die Abwicklung
00:09:59: verantwortlich, ich muss das Geld einziehen. Wobei die Regelungen aber extrem komplex sind. Es gibt
00:10:05: extrem viele Ausnahmen, chronisch kranke Patienten, die muss ich dann auch so kennzeichnen,
00:10:09: da müssen auf den Abrechnungen scheinen entsprechende Diagnosen sein. Es ist ein extrem kompliziertes
00:10:15: Regelwerk. Inzwischen ist es auch so, gerade bei diesen Richtgrößen, was ich eben erklärt habe,
00:10:20: dass der Gesetzgeber ein Einsehen gehabt hat und hat gesagt, es gibt nicht gleich einen Regress,
00:10:25: sondern wenn ich es erst einmal auffällig werde, dann muss ich ein Beratungstermin über mich
00:10:30: ergehen lassen und dann darf ich reagieren und bekomme nicht gleich einen Regress. Also das heißt,
00:10:36: der vorsichtige Arzt, der keine Lust hat auf solche möglicherweise unnötige Bürokratie,
00:10:41: der wird vielleicht ein bisschen früher sagen, ah nee, da verschreibe ich nichts mehr als derjenige,
00:10:46: der sagt, ach mir doch egal, das Gespräch lass ich über mich ergehen. Eigentlich nicht, das
00:10:52: riskiert man nicht, weil es kann ja sein, dass da was ganz anderes herauskommt und was man wissen
00:10:56: muss, wenn man einmal auffällig wird, dann geht das oft 16 Qualit-, Qualit-Zurück. Und da das ja
00:11:03: aus Abrechnungsunterlagen kommt, ist es oft so, dass die Krankenkassen etwa zwei Jahre brauchen,
00:11:10: bis sie dann von vor zwei Jahren diesen Regress berechnen. Das heißt, ich habe dann
00:11:16: vollgeschäden, 16 Quartale rückwärts oder noch 8 Quartale nach vorne.
00:11:20: Das heißt, der Arzt wird normalerweise das so machen.
00:11:24: Er weiß ja, ich bin jetzt seit 20 Jahren niedergelassen, ich hab noch nie Probleme mit diesen Größen
00:11:29: gehabt und dann wird er sich so am gewohnten orientieren.
00:11:33: So, jetzt wissen Sie auch, was der Doktor meint, wenn er sagt, sein Budget sei erschöpft.
00:11:37: Man könnte es auch so übersetzen, wenn die Feuerwehr zum Löschen mehr Wasser gebraucht
00:11:41: hat als vorgesehen war, dann kriegen die Feuerwehrleute ein paar Jahre nach dem Einsatz eine Rechnung.
00:11:47: Völlig gaga, oder?
00:11:48: Und trotzdem wahnsinnig teuer.
00:11:51: Aus meiner Sicht liegt das unter anderem daran, dass es diese sogenannten Sektorengrenzen gibt.
00:11:56: Es gibt Fachärzte, die niedergelassen sind und es gibt Fachärzte in Krankenhäusern.
00:12:00: Ich habe jetzt gerade bei einem befreundeten Patienten erfahren, der hatte sich um einen
00:12:06: Termin für Computertomographie bemüht auf Wunsch oder Anregung seiner Hausärzten und dann hat
00:12:12: er Gott sei Dank, das ist schon früh, mit den nächsten Wochen einen bekommen.
00:12:16: Daraufhin hat die zu ihm gesagt, nee, das ist mir zu spät.
00:12:19: Gehe am besten in die Notaufnahme auf den Winterberg, da kommen sie sofort dran.
00:12:23: Und dieses Doppelstrukturen, die machen eigentlich das System teuer, hätte man das
00:12:28: alles irgendwie in einer Hand und Terminplanung und Ähnlichem würden wir sehr viel Geld sparen.
00:12:32: Außerdem ist es tatsächlich immer noch so und das ist ja ein weiterer Fehler bei den
00:12:37: DIGs, dass die Krankenhäuser versuchen, möglichst viele Fälle zu behandeln, damit sie möglichst
00:12:43: viele Einnahmen haben.
00:12:44: Weil die einzelne DIG nicht reicht, versuchen sie dann möglichst viele DIGs abzurechnen,
00:12:49: um auf diese Art und Weise ihre sogenannten fixen Kosten zu decken.
00:12:53: Und dann werden auch Patienten in Krankenhäusern behandelt, die eigentlich eher ins Pflegeheim
00:12:58: oder in die Ambulanz gehören.
00:12:59: Die Trennung der Sektoren, Doppeluntersuchungen, ungesteuertes Herumwirren im Gesundheitswesen,
00:13:06: das hält übrigens auch Professor Klaus Wendt für eines der Grundübel im deutschen Gesundheitswesen.
00:13:11: Er war im Dezember zu Gast im Stethoskop.
00:13:15: Professor Wendt forscht an der Universität Siegen und vergleicht Gesundheitssysteme
00:13:19: verschiedener Länder miteinander.
00:13:21: Sein Favorit ist eindeutig nicht das deutsche Gesundheitssystem.
00:13:25: Also wenn ich jetzt wiederum die Sprache gut sprechen würde, würde ich mich am liebsten
00:13:29: behandeln lassen, unter anderem in Dänemark oder auch in Schweden.
00:13:32: Und der große Vorteil ist da wirklich, dass da die unterschiedlichen Leistungen extrem
00:13:37: gut aufeinander abgestimmt sind.
00:13:39: Die ambulante Versorgung arbeitet eng zusammen mit dem Bereich der stationären Versorgung
00:13:44: im Krankenhaus und vor allem dann auch mit der Pflege.
00:13:48: Und das ist glaube ich der Kern des Systems, wo in den nordischen Ländern gegenüber Deutschland
00:13:55: auch in Holland sehr viele Vorteile bestehen, die am Ende den Patienten und Patienten zugutekommen.
00:14:03: Also da ist die hauptsächlich Ausrichtung auf die Patienten ausgerichtet und die Frage
00:14:10: wie können wir das so organisieren, dass die erhebliche Vorteile davon haben?
00:14:14: Und die machen das auch noch billiger, als wir das machen.
00:14:17: Jetzt drängt sich natürlich die Frage auf, ja wie stellen die das an?
00:14:22: Wie schaffen die das mit weniger Ressourceneinsatz, ein Gesundheitssystem auf die Beine zu stellen,
00:14:28: dass dem Patienten auch noch mehr Zeit gibt?
00:14:30: Gut, das eine ist vor allem dann auch die Regulierung in der ambulanten Versorgung.
00:14:37: Da ist es so, in Dänemark musste sich jeder Patient, jede Patientin auf der Liste eines
00:14:42: Hausarztes eintragen.
00:14:43: Wir selbst haben das ja auch schon einmal versucht mit der sogenannten Praxisgebühr
00:14:48: aus meiner Sicht eine große Zumutung, weil eben solche Gebühren am Ende denen, die wenig
00:14:53: Geld haben, Schaden und sie wirklich davon abhalten notwendige Leistungen in Anspruch
00:14:57: zu nehmen und die, die eben viel Geld haben, die interessiert das überhaupt nicht.
00:15:01: Das heißt, da haben wir gar keinen Steuerungseffekt, aber die Länder, die das seit vielen Jahren
00:15:05: machen mit einem wirklich vollständigen Hausarzt-Prinzip, die sorgen für eine bessere Organisation
00:15:11: der Leistung und dass die Leistung dort ankommt, wo sie auch wirklich benötigt werden.
00:15:15: Und über den Hausarzt werden die weiteren Leistungen verandert.
00:15:19: Und da baut sich, und das sehen wir auch in verschiedenen Studien, die wir angestellt haben,
00:15:23: da baut sich dann zwischen Arzt und Patient ein großes Vertrauensverhältnis auf.
00:15:27: Denn wenn sie mal unzufrieden sind mit der Leistung, dann würden sie in Deutschland,
00:15:30: würden sie erst mal sagen, da gehe ich zum nächsten Arzt, da hole ich mir die Leistung
00:15:33: woanders.
00:15:34: Oder wenn der auch sagen würde, ach, nächste Woche, ich würde sie nicht krank schreiben,
00:15:38: so krank sehen sie nicht aus.
00:15:39: Dann würde man auch als Patient in Deutschland sagen, dann wandere ich ab und such mir was,
00:15:43: such mal einen anderen Arzt.
00:15:45: Und dort muss man eben in den Kontakt mit der Ärztin und dem Arzt treten.
00:15:50: Und durch diese Kontakte und Kommunikation baut sich über viele Jahre hinweg.
00:15:54: Da sehen wir dort sehr ein hohes Vertrauensverhältnis auf.
00:15:59: Das ist der erste Punkt.
00:16:00: Und dann werden dann auch am Ende nur die Patientinnen und Patienten zur fachärztlichen Leistung
00:16:06: oder ins Krankenhaus überwiesen, die diese Hilfe auch wirklich benötigen.
00:16:10: Das ist der eine Punkt.
00:16:11: Und dann haben sie in verschiedenen Bereichen unter anderem auch Elemente der Krankenhausvermeidung.
00:16:17: Die große Idee ist dort, wenn es nicht erforderlich ist, dann sollen die Patientinnen und Patienten
00:16:23: auch gar nicht ins Krankenhaus.
00:16:25: Und dadurch haben in Dänemark ist eine Krankenhausverweildauer, die ist erstens mit 5,5 Tagen
00:16:33: pro Akutfall deutlich geringer als in Deutschland.
00:16:37: Dort haben wir eben eine durchschnittliche Zahl von 8,5, also erheblich höher als in Dänemark
00:16:42: oder in Schweden.
00:16:43: Aber wir haben auch mit 2,5 je 1.000 Einwohner deutlich weniger Krankenhausbetten.
00:16:50: Auch da haben wir in Deutschland die Krankenhausbettenzahl stark reduziert.
00:16:54: Wir sind etwa bei 8 je 1.000 Einwohner, aber wir liegen etwa 3-mal so hoch, wie es in Dänemark
00:16:59: der Fall ist.
00:17:00: Und diese Zahlen werden vor allem durch Krankenhausvermeidung und durch starke Übergänge gut
00:17:06: organisiert, die Übergänge vom Krankenhaus rein in die Pflege realisieren.
00:17:10: Ein ganz besonderes Highlight war für mich auch unsere Stethoskopfolge zum elektronischen
00:17:17: Rezept.
00:17:18: Nicht das übliche Interview, sondern ein sehr launisch gemachtes Erklärstück von Miriam
00:17:23: Schoblee und Maria Wimmer, die bei uns im Verband für Sozialpolitik und Öffentlichkeitsarbeit
00:17:28: zuständig sind.
00:17:29: Man stellt sich trotzdem die Frage, was ist jetzt eigentlich neu, was ist anders?
00:17:33: Wenn man jetzt zum Hausarzt geht, also meinen Hausarzt würde mir wohl nach wie vor das
00:17:37: Rosa-Papier-Rezept ausstellen.
00:17:39: Man merkt also eigentlich noch keinen Unterschied, oder?
00:17:41: Also ich persönlich fand diesen Rosawisch ja schon immer sehr lästig.
00:17:45: Mal vergisst man ihn einzulösen, mal verlegt man ihn.
00:17:49: Und wenn man beim nächsten Arzt aufschlägt, hat man schon vergessen, welches Medikament
00:17:54: der behandelnde Arzt damals überhaupt verschrieben hat.
00:17:56: Ja, oder man lässt sich das Rezept faxen zur Apotheke und dann steht man wieder drin
00:18:01: in der Apotheker und will eigentlich was ganz anderes und dann sagt die Apothekerin,
00:18:04: ich brauche aber noch das Rezept und ich so, oh je, das ist ja schon Wochen her, wo habe
00:18:08: ich das denn überhaupt hingelegt und war dann schon ganz nervös, ich habe es Gott sei Dank
00:18:11: wieder gefunden.
00:18:12: Aber ja, das sind so unsere Erfahrungen aus dem Alltag.
00:18:14: Wir können festhalten, für uns ist die Frage entscheidend, wie unkompliziert wir ein Rezept
00:18:19: einlösen können.
00:18:20: Und was hat sich denn jetzt seit Juli geändert, Maria?
00:18:24: Weshalb reden wir plötzlich über das Ehrezept?
00:18:26: Ja, seit 1. Juli gibt es das Ehrezept auf der elektronischen Gesundheitskarte.
00:18:32: Das ist wirklich toll, denn das heißt, der Arzt stellt dieses Rezept aus und ich kann
00:18:37: mit dieser Gesundheitskarte, die wird dann quasi da, wird über die Gesundheitskarte
00:18:41: abgerufen.
00:18:42: Das heißt, ich gehe da mit zur Apotheke, stecke die in das Lesegerät, wie ich das ja beim
00:18:46: Arzt auch mache.
00:18:47: Ich muss keine Pien eingeben und die Apotheke ruft das dann ab von einem zentralen Server,
00:18:52: die wird also nicht auf der Karte gespeichert.
00:18:54: Das Rezept?
00:18:55: Ja, und dann bekomme ich mein Medikament.
00:18:58: Seit 1. Januar ist das Ehrezept übrigens Pflicht, vielleicht ein Grund, nochmal in
00:19:03: unseren Podcast reinzuhören, wie es funktioniert.
00:19:06: Was auch funktioniert, die Palliativmedizin jedenfalls, wenn man weiß, dass es sie gibt.
00:19:14: Das war unser Thema in der Juli-Ausgabe von Stittoskop.
00:19:17: Prof. Winfried Hardinghaus, der Vorsitzende des Deutschen Hospiz und Palliativverband,
00:19:22: hat uns nicht nur erklärt, was die Palliativmedizin von der klassischen Heilenden Medizin unterscheidet
00:19:29: und wann man sowas braucht.
00:19:31: Er hat auch bewegende Geschichten erzählt von Menschen, die eigentlich schon nach Sterbehilfe
00:19:36: gerufen haben und dann erfahren haben, dass die Palliativmedizin eine echte Alternative
00:19:41: dazu ist.
00:19:42: Da ist ein ungefähr 60-jähriger Mann, umgeistig voll bei Verstand, aber hat unsägliche Schmerzen.
00:19:47: Er war in einem Tümus-Kazinum, das ist ein seltenes Kazinum, mit Knochenmetastasen
00:19:52: und hieß nicht mehr aus für Schmerzen und wollte sich mit Blutverdünnern umbringen,
00:19:56: hat er auch geschluckt.
00:19:57: Er hat dann seinem Sohn gesagt, fahre mich ins Krankenhaus, du musst nicht das Ehlen
00:20:01: sehen, wenn ich hier verblute.
00:20:02: Der Sohn hat ihn in eine Berliner Klinik gefahren, die haben gleich ein Psychiader-Gold.
00:20:06: Der Psychiater hat richtigerweise volle Einsichtsfähigkeit bescheinigt.
00:20:10: Er hat gesagt, ihr heim müsst diesen Mann sterben lassen.
00:20:12: Dann hat die Klinik gesagt, wir haben hier aber keine Palliativstationen, Morzis, Sonneurämie,
00:20:16: Demi.
00:20:17: Wir verlegen ihn mal auf die Palliativstationen, dann kam er zu uns.
00:20:19: Das habe ich mir natürlich nicht nehmen lassen.
00:20:22: Er wollte keine Gegenmittel, keine Schmerzmittel, er wollte weiter verbluten.
00:20:25: Dann habe ich ihn überredet zu einer Apollomorphine, womit er eine Stunde beschwerdfrei war und
00:20:31: war so glücklich in dieser Stunde, dass er sich von uns hat einstellen lassen mit Schmerzmittel
00:20:35: und ist zu Fuß nach Hause gegangen.
00:20:37: Was fehlte diesen Mann?
00:20:38: Eine kompetente Beratung, kompetente Behandlung und Zuwendung.
00:20:43: Keinerlei besonderer Empfehlung brauchte es im November.
00:20:49: Da gab es nämlich ein Thema, bei dem sich jedem die persönliche Betroffenheit mehr oder
00:20:54: weniger automatisch erschlossen hat.
00:20:56: Das haben wir auch an den riesigen Abrufzahlen dieser Folge gesehen.
00:21:00: Zu Gast bei uns waren Franziska Stamme und Jorgen Messer vom medizinischen Dienst.
00:21:05: Mit den beiden haben wir über alle möglichen Dinge gesprochen, die mit der Pflegebegutachtung
00:21:10: zu tun haben.
00:21:11: Von der Frage, warum man teilweise so lange auf Termine warten musste, bis hin dazu,
00:21:16: wie so eine Begutachtung abläuft, welche Kriterien da angelegt werden und dass die
00:21:21: auch nicht immer mit dem persönlichen Empfinden übereinstimmen.
00:21:24: Bis hin zu ein bisschen Smalltalk aus dem Nähkästchen der Gutachterin, beispielsweise
00:21:29: zu der Frage, wie sie denn von den Menschen, bei denen sie begutachten soll, empfangen wird.
00:21:36: Ja, also in der Regel werden wir reingelassen.
00:21:38: In den allermeisten Fällen wird uns auch was zu Trinken angeboten.
00:21:42: Die Gutachter und Gutachterin lehnen das in der Regel ab, weil sie haben immer einen
00:21:47: langen Tag und sie können sich vorstellen, wenn man fünf Hausbesuche mitunter zu bewältigen
00:21:53: hat, dann muss man sich mit den Getränken auch ein bisschen zurückhalten, weil man findet
00:21:57: nicht überall eine Toilette, die zugänglich ist.
00:21:59: Aber es wird nicht gleich als ein Bestechungsversuch von ihrem Empfunden.
00:22:03: Nein, also ein Glas Wasser ist kein Bestechungsversuch.
00:22:05: Nein.
00:22:06: Aber Schnaps schon.
00:22:08: Da die Gutachterinnen und Gutachter alle auch im Pkw unterwegs sind, werden sie grundsätzlich
00:22:13: keinen Schnaps trinken.
00:22:14: Na dann eben mit Wasser.
00:22:16: Prosit neu ab.
00:22:17: [Musik]
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